Zuwanderung als Projekt des Kapitals

Zuwanderung als Projekt des Kapitals


Vom Nationalstaat zum Einwanderungsland


Zwischen 1980 und 2010 gab der geschäftsführende Ausschuss der herrschenden Klasse, alias "die Politik", den deutschen Nationalstaat auf, für den er in den letzten hundertfünfzig Jahren drei Kriege geführt und Millionen Menschen geopfert hat.

In der Koalitionsvereinbarung der CDU-FDP-Regierung von 1983 ("die Wende"(1) genannt) stand noch:
"Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland.(2) Es sind daher alle humanitär vertretbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den Zuzug von Ausländern zu unterbinden." (Koalitionsvereinbarung CDU-FDP 1983)
Doch gerade unter der Regierung Kohl wurden die Weichen zum Einwanderungsland gestellt. Mit dem Ende der Regierung Kohl begann die Einwanderung der Russlanddeutschen. (3)

Heute sagt Angela Merkel "Deutschland ist ein Einwanderungsland" und die deutsche Industrie fordert von Deutschland eine "Willkommenskultur".
Sagte Helmut Kohl einst "Die Zahl der ausländischen Mitbürger muss verringert werden" (Kohl 1982), so misst die derzeitige Regierung den Erfolg Deutschlands daran, "wie viele Menschen zu uns kommen wollen."

Sprachen die Politiker vor 1980 von Gastarbeitern oder bestenfalls von ausländischen Mitbürgern (wer diese damals als "Migranten" bezeichnete, gab sich damit automatisch als Linker zu erkennen), so sind es heute die Politiker, die von Migranten sprechen.
Der Gastarbeiter wurde zum "Bürger mit Migrationshintergrund."

Auch der CDU-Oberbürgermeister, dessen politische (und meistens auch biologische) Vorfahren die Wende von 1933 begeistert begrüßt haben, bezeichnet jugendliche Neonazis als "Schande für Deutschland" und ruft zu einer Demonstration "gegen Rechts" auf.

Woher kommt dieser Wandel? In der Politik kann man jedenfalls ausschließen, dass (nach dem bekannten schwäbischen Stoßseufzer) "der Herr Hirn vom Himmel herabgeschmissen" hat.(4)

Der Wirtschaft wird ihr Volk zu teuer.

Im Kapitalismus gilt:
Was der Lohnarbeiter sich mit seiner Arbeit produziert, ist sein Leben(-sunterhalt), "gagner sa vie" auf französisch, "earning one's living" auf englisch.
Er "reproduziert seine Arbeitskraft", heißt es bei Karl Marx. Diese Reproduktion mag mehr oder weniger vollständig sein, doch könnte der Lohnarbeiter mehr verdienen als seine Reproduktion, wäre er kein Lohnarbeiter.
Aber er bekommt nur seine Arbeitskraft bezahlt, mag er nun "viel" oder "wenig" verdienen. Kein Unternehmer kann einem Arbeiter das Doppelte, Drei- oder Vierfache zahlen, bloß weil der Mann eine zahlreiche Familie hat. Also wird der Lohn des Lohnarbeiters notwendigerweise unzureichend sein, wie hoch er auch sein mag, und um so unzureichender, je größer die Familie ist. "Die Reproduktion ist unvollständig" heißt es bei Marx.
Der unzureichende Lohn kann dadurch ausgeglichen werden, dass auch andere Familienangehörige, insbesondere natürlich die Frauen, denen ja nichts fehlt, was ihrer Verwertung entgegenstünde, in die Lohnarbeit hinein gehen. Deren Arbeitskraft fehlt dann aber bei der Reproduktion und muss nun als Dienstleistung gekauft werden. Die Reproduktion der Arbeitskraft (das, was die Lohnabhängigen gewohnt sind, für ihr "Leben" zu halten), wird also teurer.

Im Unterschied zu früheren Zeiten ist jedoch in den hochindustrialisierten Ländern (Länder, in denen nur wenige Prozent der Erwerbsbevölkerung noch im primären Sektor arbeiten) Lohnarbeit und Lohnabhängigkeit(5) kein Problem von Pauperisierten und keine vorübergehende Phase in der Biographie von Individuen mehr, wie es dies noch zur Zeit von Marx und Engels war, sondern die Lebensform der großen Mehrheit der Bevölkerung.
Damit hat die Sache eine andere Qualität bekommen: Dienstleistungen und Produktionen, die vorher "gratis" waren, bekommen nun einen Preis und gehen in die Reproduktion der Arbeitskraft ein.
Die Versorgung der noch nicht oder nicht mehr verwertbaren Bevölkerung geht mehr und mehr in die Hände des Staates über. (Kindertagesstätten, allgemeinbildendes Schulwesen, Altersheime, Krankenhäuser)
In den hochindustrialisierten Ländern leben nicht nur Arme und Außenseiter, sondern die gesamte werktätige Bevölkerung unabhängig von irgendwelchen Notsituationen zu einem bestimmten Prozentsatz auf Staatskosten.(6)
Dieser Prozentsatz steigt stetig.


Dieser Prozess wird allgemein mit "Wohlstand" in Verbindung gebracht; er ist aber auch mit äußerster Verelendung vollständig vereinbar.

Als Dienstleistung bewertet(7), würde die Aufzucht eines Staatsbürgers, wie man es von Zeit zu Zeit (meistens am 8. März oder am Muttertag) liest, rund 300.000 Euro kosten. (Natürlich nur in der Basisversion; mit Abitur und Studium ist er wohl etwas teurer.) Mögen es 200.000 oder 500.000 sein - es handelt sich jedenfalls um einen Betrag, vor dem normalerweise selbst ausgesprochen wohlhabende Leute zurückschrecken würden. Zumal der Unterhaltungs- und Gefühlswert der kleinen Affen schnell abnimmt, da sie zwangsläufig ihren Erzeugern immer ähnlicher werden. (8) Damit die Reproduktion überhaupt stattfinden kann, muss also die Familie dauerhaft subventioniert werden.
Das geschieht indirekt durch Steuerermäßigungen, direkt durch Kindergeld, Wohngeld usw. (Eine ständige Sozialpolitik, die über episodische Katastrophenhilfe und Armenfürsorge hinausgeht, gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert.)
Dadurch ändern sich die Machtverhältnisse innerhalb der Familie: Die unvollständige Reproduktion des Massenarbeiters führt dazu, dass der Familienvater auch in normalen, günstigen Zeiten real nur noch einen Bruchteil des Familieneinkommens (vielleicht mehr, vielleicht weniger als die Hälfte) "mit seiner Hände Arbeit" verdient. Dadurch wächst automatisch der Anteil der Frau am Familieneinkommen.
Die Entwicklung verstärkt sich durch längere Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung des Mannes. Der frühere "Ernährer" wird zur Belastung.
Der Staat muss da, wo kein zahlungsfähiger Erzeuger zu ermitteln ist, irgendwie den Unterhalt von Kindern - die ja immerhin die zukünftigen Staatsbürger werden sollen - sicherstellen, und damit aber auch den Lebensunterhalt der zwangsläufig dazugehörigen arbeitslosen Mütter. Und mehr könnte eine gering qualifizierte Arbeitskraft, ob weiblich oder männlich - und die Masse der Lohnabhängigen ist in der Konkurrenzgesellschaft immer gering qualifiziert, selbst wenn sie noch so gut ausgebildet wäre - sowieso von keiner möglichen Arbeit erwarten.
Hinter dem Rücken und gegen den Willen aller - auch der Mütter - entwickelt sich die Aufzucht von Kindern zum Broterwerb, vor allem da, wo es nicht nur keine Arbeit, sondern auch keine andern Sozialleistungen gibt. (9) Während in der Kindheit des Kapitalismus sprichwörtlich "das Elend der Witwen und Waisen zum Himmel schrie", wird es unter heutigen Bedingungen für eine Frau relativ günstiger sein, ihr Kind alleine aufzuziehen als einem Geringverdiener die Ehefrau zu machen. (10)
Die zu Anfang des 20. Jahrhunderts bereits auf "Vater-Mutter-Kind" reduzierte Familie wird zur "Mutter-Kind-Familie".
Wo es aber keine (zahlungsfähigen) Ehepartner oder Kinder gibt, da gibt es auch niemand, den der Staat für die Unterhaltskosten in Regress nehmen kann. (11)
Der Zerfall der Familie verteuert die Arbeitskraft. Das Problem des hochindustrialisierten Staates ist: Es werden zu wenig Arbeitskräfte, und diese zu teuer produziert.

Dagegen kann man Reserven ausnutzen (Stichwort "Inklusion", Stichwort "Vereinbarkeit von Familie und Beruf") und die Lebensarbeitszeit verlängern (Verkürzung der Schulzeit; Erhöhung des Renteneintrittsalters), aber das bringt nur wenig.

Zuwanderung als Ressource


Es ist heute möglich, dass die Arbeiter aus der ganzen Welt mit den Arbeitern aus Deutschland konkurrieren können. Es ist also möglich, die Löhne der Dritten Welt mit der Infrastruktur der Industriegesellschaft zu verbinden. (Vielleicht nicht 1:1, aber da geht noch viel. Die Praxis zeigt es.)

Die Einwanderung(12) hat große Vorteile gegenüber dem Export von Produktionsanlagen in Billiglohnländer. Denn billige Arbeitskraft allein nützt nichts, wenn man erst Straßen und eine Infrastruktur bauen muss.
Auch der profitabelste Kapitalexport kostet zunächst einmal Geld. Zuwanderer kosten nichts, denn sie bezahlen ihre Zuwanderung selbst. (Wir müssen die Leute nicht erst anwerben, wie noch zu Beginn der Einwanderung in den fünfziger und sechziger Jahren, wir können, dank des Staatszerfalls in den Ländern der Dritten Welt, sogar Eintrittskarten verkaufen.) Ihre "Integration" (Sprachkurse, Berufsbildung und was sonst noch dazu gehören mag) wird von den Sozialkassen bezahlt, geht also auf Kosten der Einheimischen und kostet die Industrie ebenfalls nichts. Und es kommen auch keine Wilden, sondern die meisten sind schon für eine Lohnarbeiterexistenz (sozusagen) formatiert, manche haben schon eine Ausbildung.
Einwanderung bringt Leben in den Arbeitsmarkt. Die Einwanderer sind der Hebel, Löhne niedrig zu halten, Sozialstandards zu senken und überhaupt den "deutschen Kartoffeln" (Antifa-Jargon) ihre Anspruchshaltung auszutreiben. Die Einwanderung der neunziger Jahre hat wesentlich dazu beigetragen, die Arbeitszeit auszudehnen, Rechte der Lohnabhängigen widerstandslos zu kassieren und einen Niedriglohnsektor zu schaffen.
Das linke Milieu(13) behauptet:
"Konservative und Rechte klammern sich an die längst unhaltbar gewordene Fiktion von einem 'rassisch reinen' Deutschland und fordern noch härtere Gesetze gegen Ausländer." (Zitiert aus der Homepage eines pensionierten linken Oberstudienrats aus Hannover im Jahr 2015)
Das stimmt schon seit (mindestens) dreißig Jahren nicht mehr. Zwar gibt es solche rassistische Ideologen auch heute noch, aber eben nur als Relikte.(14)
Die wirklichen "Konservativen und Rechten" von heute sind weit entfernt davon, Gesetze gegen Ausländer zu fordern. Die "Reinheit der deutschen Rasse" ist für sie ebenso obsolet wie für das linke Milieu und seine pensionierten Oberschulmeister.
Deutschland ist ein Einwanderungsland, und für ein Einwanderungsland ist der deutschnationale Patriotismus dysfunktional.(15) Die herrschende Klasse ist zwar schon für Regulierung der Zuwanderung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft, vor allem aber für freie Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und den Sieg des Tüchtigen, und fordert "Toleranz" und "Willkommenskultur" von den Verlierern.

Für das linke Milieu sind die sozialen Interessen der einheimischen Bevölkerung von vornherein "rechts", um nicht zu sagen "faschistisch":
Wer darauf hinweist, dass es in Deutschland z. B. 300.000 Obdachlose gibt, für die keine Wohnungen gebaut werden, nicht einmal Heime, der "spielt Einwanderer gegen Einheimische aus". Auch wenn er nur meint, dass jene Obdachlosen dasselbe Recht haben sollten wie die Einwanderer.
Für die Oberstudienräte und Pfaffen des linken Milieus ist es "unsolidarisch", wenn die, die schon immer hier waren, bloß weil sie Steuern und Sozialbeiträge etc. gezahlt haben, nicht bereit sind, ihre "Transferleistungen" (Hartz IV, Rente usw.) mit den Einwanderern zu teilen. --- Der Begriff "Solidarität" stammt aus der Arbeiterbewegung. Er bezeichnete dort allerdings nicht Nächstenliebe und Verzicht, sondern  ein Kampfmittel gegen das Kapital.

Seit zwanzig Jahren werden in Deutschland keine Sozialwohnungen mehr gebaut. Ein gering qualifizierter Einheimischer hat in Deutschland keine Chance auf ein Einkommen über dem offiziellen Existenzminimum, selbst wenn er nicht arbeitslos ist. Da kommen Flüchtlinge, und plötzlich ist das Geld für den Wohnungsbau da, das für die Einheimischen zwanzig Jahre lang gefehlt hat. Und nicht nur das: die Neuankömmlinge sollen integriert, das heißt mit Arbeit und Einkommen versehen werden. Die Einheimischen können ihre Hoffnungen auf Wohnung, Arbeit und ein ausreichendes Einkommen vergessen. Die "integriert" keiner.

Im Kampf gegen den "Nationalismus", der nichts anderes ist als der Versuch der Unterschicht, ihr Einkommen zu verteidigen, stellt sich das linke Milieu bedenkenlos auf die Seite des "Bundes der deutschen Industrie" und seines Staats.
Hinter dem "Antirassismus" und "Antifaschismus" des linken Milieus lässt sich unschwer der Hass gegen die (einheimische) Unterschicht erkennen: "Pack, Gesindel, Mob", "Grenzdebil, ständig besoffen und brutal" (Charakterisierung der Nazis in den Publikationen der Antifa), "Menschen, die seit Jahrzehnten direkt und indirekt Transferleistungen in bisher ungekannten Höhen entgegengenommen haben" (Frank Stauss, MdB (SPD), über die PEGIDA-Demonstranten.)

Die sozialen Forderungen der einheimischen Bevölkerung werden in Deutschland (wie in allen hochindustrialisierten Staaten) ausschließlich von der extremen Rechten vertreten: "Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma!" (NPD-Parole)

Damit ist auch gewährleistet, dass der soziale Protest sich nicht gegen Staat und Kapital wendet, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern ins Leere läuft. Die "PEGIDA" demonstrieren unter der schwarzrotgoldenen Fahne des deutschen Kapitals und schwören ja eigentlich nur, dass sie auch gute Staatsbürger sind, ja sogar Christenmenschen.

Mit der Zeit werden alle Migranten zwangsläufig, auch ganz ohne "Integrationsbeauftragte", zu Einheimischen, zu "Deutschen" (16), das heißt zu Sozialfällen. (Die Ware Arbeitskraft ist sozusagen leicht verderblich.) Damit fangen sie aber an, "uns Geld zu kosten, statt uns Geld einzubringen". (Seehofer, CSU)

Worauf es bei der Zuwanderung ankommt, ist also nicht einfach Arbeitskraft, sondern der beständige Zufluss von neuer Arbeitskraft.

Die Ressource Zuwanderung wird schnell erschöpft sein. Nicht weil es nicht genügend arme Teufel gäbe, sondern weil es irgendwann nicht mehr genügend arme Teufel geben wird, die man noch ruinieren könnte.
"Der Kapitalismus ist die erste Wirtschaftsform mit propagandistischer Kraft, eine Form, die die Tendenz hat, sich auf dem Erdenrund auszubreiten und alle andern Wirtschaftsformen zu verdrängen, die keine andere neben sich duldet. Er ist aber zugleich die erste, die allein, ohne andere Wirtschaftsformen als ihr Milieu und ihren Nährboden, nicht zu existieren vermag, die also gleichzeitig mit der Tendenz, zur Weltform zu werden, an der inneren Unfähigkeit zerschellt, eine Weltform der Produktion zu werden. Er ist ein lebendiger historischer Widerspruch in sich selbst, seine Akkumulationsbewegung ist der Ausdruck, die fortlaufende Lösung und zugleich Potenzierung des Widerspruchs." (Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, Voltmedia, S.544)
Der "Rückweg" in die Vergangenheit des Kapitalismus ist versperrt, solange es moderne Produktionsmittel überhaupt gibt. Die Alternative Rosa Luxemburgs "Sozialismus oder Barbarei" könnte so Aktualität gewinnen, wenn auch auf andere Weise, als es sich das linke Milieu vorstellt.

Anmerkungen


(1)In der deutschen Geschichte gab es drei "Wenden": die erste "Wende" war 1933 (Hitler wird Reichskanzler), die zweite "Wende" war 1983 (Helmut Kohl wird Bundeskanzler), die dritte "Wende" war 1989 (Wiedervereinigung)

(2)Natürlich geht es hier - wie in der gesamten Einwanderungsdebatte - nicht um die Einwanderung selbst (die ist eine unabweisbare Realität), sondern um die Definition Deutschlands als Nationalstaat oder Einwanderungsland.

(3)Die Russlanddeutschen wurden damals zunächst bevorzugt gegenüber Türken und Jugoslawen. Sie galten nicht als Migranten, sondern als Deutsche. ("Schweres Schicksal", "Bekenntnis zu Deutschland" und so) Auch in der Statistik tauchen sie nicht als Migranten auf. Ihre Rentenansprüche aus der Sowjetunion wurden von Deutschland übernommen. (Man erhoffte sich von ihnen eine Schicht gut ausgebildeter, konservativer und kinderreicher Staatsbürger.)
Wer allerdings zu spät auf die Idee kam oder erst nach 1992 geboren ist, muss auf diese Privilegien verzichten, wie "deutsch" sein Blut auch sein mag: Er kann nur noch als gewöhnlicher Russe nach Deutschland kommen.

(4)Ein Politiker wird nicht für seine höhere Einsicht bezahlt, sondern für die Vertretung von Interessen. Manche werden direkt für eine bestimmte Einflussnahme bezahlt, die meisten für eine bestimmte politische Linie. Dieses Gewerbe lässt sich gut mit dem des Rechtsanwalts vergleichen: Auch ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten nicht sympathisch finden, um ihn zu verteidigen; es genügt, wenn er zahlt.

(5)Lohnabhängig ist, wer vom Verkauf seiner Arbeitskraft lebt. Die Bevölkerung der hochindustrialisierten Staaten ist so sehr proletarisiert, dass sie das für eine Selbstverständlichkeit hält. Die Lohnabhängigkeit ist allgemein. Marx hat recht behalten, wenn auch auf andere Weise, als er es sich vorgestellt haben mag.

(6)Otto Graf LAMBSDORFF, Wirtschafts- und Finanzminister zu Kohls Zeiten, verwahrte sich in einer Bundestagsdebatte anfangs der achtziger Jahre einmal dagegen, ein Land wie die BRD, die mehr als ein Drittel ihres Haushalts für Soziales ausgebe, als unsozial zu diffamieren. Und er hatte recht. Leider haben auch die recht, die darauf hinweisen, wie unsozial die Resultate dieser Bemühungen sind.

(7)Wir verkaufen unsere Kinder nicht auf dem freien Markt oder ziehen sie im Auftrag der BASF oder des Familienministeriums groß. Der Gedanke, Kinder als Ware und ihre Aufzucht als Dienstleistung zu betrachten, erregt immer noch Abscheu und Befremden, obwohl sonst hierzulande niemand auch nur einen Furz lässt, ohne ihn als künstlerische Darbietung zu verkaufen.

(8)Als Alternative bietet sich die sinnfreie Aufzucht von Hunden und Katzen an.
Auch die Ärmsten halten sich in Deutschland einen Hund oder eine Katze. Nicht zum Essen, nicht zum Bewachen ihres Eigentums, nicht zum Mäusefangen, sondern - zum Liebhaben.

(9)Der Zerfall der Familie ist gerade in den USA besonders weit fortgeschritten.

(10)Das Heraustreten der Frau aus der jahrtausendealten Familiensklaverei (Lenin) wird im linken Milieu als Emanzipation verhandelt. Es ist auch eine Emanzipation, leider nur in dem Sinne wie die Verwandlung der Negersklaven der USA in freie und gleiche Lohnarbeiter.

(11)Daher wird versucht, andere Lebensgemeinschaften der Ehe gleichzustellen. Den Anfang machen die Homosexuellen, für die - unter den Lebensbedingungen hochindustrialisierter Länder - ihr geduldeter oder halblegaler Status bisher vorteilhaft war, da keiner aus einem solchen Verhältnis Unterhaltsansprüche geltend machen konnte.
Wenn dagegen homosexuelle Lebensgemeinschaften anerkannt sind, dann müssen die Beteiligten erst einmal Unterhalt von einander fordern, statt vom Staat.
Deshalb ist die Bereitschaft, "Verantwortung für einander zu übernehmen", schwach ausgeprägt und wird noch stark nachlassen. Daher wird auch schon diskutiert, das Modell der "eingetragenen  Lebenspartnerschaft" auszudehnen, z. B. auf zusammenlebende Geschwister und (Alters-)Wohngemeinschaften.

(12)Es geht hier um die gewöhnliche Zuwanderung, nicht um die episodisch auftretenden Bürgerkriegsflüchtlinge von 2015/16.

(13)Hierzu gehören: Die Partei DIE LINKE (zum größeren Teil), kleine Teile der Grünen, der SPD, des DGB und der Kirchen, Reste der linken Bewegungen der sechziger, siebziger und achtziger Jahre, erkenntlich am Schlüsselwort "emanzipatorisch".

(14)Zu den letzten Zuckungen der "deutschnationalen Linie" gehörte das "Heidelberger Manifest" (1981) einer Riege von emeritierten Professoren und anderen betagten Würdenträgern.
Unvergessen als konsequenter Rassist bleibt in diesem Zusammenhang auch Herbert Gruhl (1921-1993, MdB CDU, später GRÜNE, ÖDP) ("Ein Planet wird geplündert"), der die Einwanderung Dunkelhäutiger als Gefahr für die Umwelt bezeichnete, weil Schwarze im Winter mehr Heizung bräuchten.

(15)Das gilt nicht für Patriotismus überhaupt. Ganz im Gegenteil: Es ist notwendiger denn je, dass die Bürger, ob eingewandert oder einheimisch, die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach für die oberste Mafia zwischen Flensburg und Berchtesgaden halten. (siehe "Rat für Migration", Frankfurt/ Oder)
Wir kämpfen nicht mehr um Lebensraum für die deutsche Volksgemeinschaft, sondern für die "europäischen Werte", (je nachdem "Menschenrechte", "Frauenrechte", "Demokratie", "Korruption" bzw. deren Bekämpfung, "Freiheit"), die uns die Berechtigung liefern, nach Belieben in fremden Ländern zu intervenieren.

(16)Die Einheimischen sind keineswegs identisch mit den "Deutschen": Deutschland ist de facto seit 1963 Einwanderungsland. (Thränhardt, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland)